Presse 03.03.2010: Tierschützer – Mafiaprozess mit Trommeln und Ballons.

So stellt man sich einen Mafiaprozess eigentlich nicht vor: Infostände über Pelz- und Nutz-
tier-Leid, Trommeln, laute Musik und Sprechchöre vor dem Gericht, pinkfarbene Luft-
ballons, die an langen Schnüren vor den Fenstern des Verhandlungssaales im Wind treiben. Und nur ein bisschen Polizei, die sich buchstäblich im Hintergrund hält. Was sich am Dienstag vor dem Wiener Neustädter Landesgericht abspielt, fühlt sich eher an wie ein Jahrmarkt denn wie ein Forum für einen Strafprozess.

Staatsanwalt Wolfgang Handler ist an der Reihe. Begleitet von rhythmischen Schlägen der Trommler, die unter den Gerichtssaalfenstern Aufstellung genommen haben, referiert er über die 1976 in Großbritannien gegründete Animal Liberation Front (ALF), deren „mili-
tärischen Arm“, die Animal Rights Militia (ARM) und die gegen Versuchstierzucht ankämpf-
ende Organisation Stop Huntingdon Animal Cruelty (SHAC).

Edith Piaf lässt grüßen.

Diese Gruppierungen hätten der nun angeklagten „kriminellen Organisation, vor allem zusammengesetzt aus dem VgT und der Basisgruppe Tierrechte (BAT)“, den ideologischen Boden bereitet. Jede Menge Anschläge, etwa auf Filialen der Firma Kleider Bauer ab Dezember 2006, seien den Beschuldigten anzulasten. Diese reagieren mit Lächeln, Kopf-
schütteln und Flüstern. Ihre Einsicht, Mitglieder einer „kriminellen Organisation“ zu sein, scheint gegen null zu gehen. Passend zu dieser Stelle des Anklagevortrags wird vor dem Gebäude das berühmte Musikstück von Edith Piaf, „Non, je ne regrette rien“ („Ich bereue nichts“) intoniert, wodurch nicht nur der Staatsanwalt selbst lächelnd innehält, sondern auch die um Würde bemühte Richterin ein Schmunzeln nicht unterdrücken kann.

Dann reden die Anwälte. Verteidiger Josef Phillip Bischof schließt pauschal: „Die Vorwürfe sind von der strafrechtlichen Relevanz her lächerlich.“